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Angst – Antriebsmotor des Grauens

Alle Lebewesen in dieser Welt kennen sie: die Angst. Und während es da draußen echte Gefahren gibt, bei der die Angst durchaus einen Sinn ergibt und uns dazu bringt zu flüchten, zu kämpfen oder gar zu erstarren, so ist in unserer Kultur ein Großteil dieses überwältigenden Gefühls schlichtweg unsinnig.
Ich spreche hier wirklich von der Angst, die durch ein buntes Kopfkino in Gang kommt. Angst, die hauptsächlich durch Ideen erzeugt wird. Diese Ideen entspringen unserer erlebten Vergangenheit mit ihren Erfahrungen. Sie sind so eingebrannt in unser Gehirn, dass wir uns nicht vorstellen können, sie einfach mal beiseite zu legen und als nicht mehr relevant anzusehen. Durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit erzeugen wir Schreckensbilder der Zukunft. Dann hüpfen wir hin und her und sind nie wirklich im jetzigen Augenblick. Dieser würde schlicht fragen: Bin ich momentan wirklich bedroht? Steht da jemand mit einem Messer vor mir und will mich abstechen? Wenn um mich herum keine augenblickliche Gefahr für Leib und Leben besteht, macht Angst keinen Sinn. Aber sie raubt mir die Möglichkeit vernünftig mit einer Situation umzugehen. Jeder Streit, jeder Konflikt, jedes Verbrechen, hat einen Nährboden der aus Angst besteht. Angst, die steuert und unzurechnungsfähig macht. Gar nicht selten beginnt so ein Spiel aus Lüge und Intrige. Irgendwann verschwimmt dann die Grenze zwischen Wahrheit und Illusion und zieht einen langen Rattenschwanz nach sich. Jede Schuldverschiebung entsteht aus Angst und macht Liebe unmöglich.
Ich will dir dazu eine frei erfundene Geschichte erzählen, die sich vielleicht doch so zugetragen hat 😉. Sie ist an sich harmlos, doch sie zeigt, was Angst alles auslöst und wie sehr sie andere Menschen involviert:
Eine Frau trifft im Supermarkt auf einen Nachbarn. Sie beginnen Smalltalk zu halten und die Frau will sich nach ein paar freundlichen Sätzen schon zum Gehen verabschieden. Da fragt plötzlich der Mann mit einem Schmunzeln in den Augen: „Wann geht es denn bei euch mal wieder ab?“
Sie tritt einen Schritt zurück und fragt ihn sichtlich erstaunt: „Wie meinst du das?“
Er antwortet laut lachend: „Na, bei euch brennt es doch andauernd. Wenn ihr nicht so viel Unterstützung hättet, läge wohl die Nachbarschaft in Schutt und Asche.“
Sie versteht nur noch Bahnhof und stammelt verwirrt: „Wie jetzt…?“
„Na nachdem ihr den Kellerbrand hattet, habt ihr doch eure ganze Hecke hinten im Garten abgefackelt. Stell dir vor, wenn Klara nicht dagewesen wäre…“, sagt er nun mit mahnendem Ton und eine Anschuldigung ist auch zu erkennen.
Die Frau stutzt und meint: „Ja, vor zehn Jahren gab es einen Kellerbrand bei uns und ja, vor drei Jahren hat die Hecke gebrannt, aber…“
„Das willst du natürlich verdrängen. Ist schon klar!“, grinst er allwissend.
„Nein, halt, stopp!“, antwortet sie. So langsam schwant ihr, worum es geht, „wenn Klara nicht dagewesen wäre, hätte unsere Hecke nicht gebrannt.“
„Hm, das verstehe ich nicht“, jetzt stutzt er, „Klara erzählt in der Nachbarschaft herum, du hättest das Feuer verursacht und sie wäre zufällig gerade hinter eurem Garten gewesen und dann hätte sie beherzt den Brand gelöscht. Ohne sie wäre es zu einem echten Inferno gekommen…“
Die Frau beginnt herzhaft zu lachen: „Das Einzige was stimmt ist, dass unsere Hecke gebrannt hat. Ich kam gerade heim – Gott sei Dank – und sah die Bäume in Flammen stehen. Ich rannte mit dem Gartenschlauch bewaffnet raus und löschte was das Zeug hielt. Ein weiterer Nachbar kam mir zu Hilfe. Auf der anderen Seite keuchte Klara. Sie kam Minuten davor mit einem Unkrautbrenner, den man in dicht bebauten Siedlungen gar nicht benutzen darf, bedenklich nah an unsere Hecke, die daraufhin lichterloh zu brennen begann. Ich ermutigte sie von meiner Seite aus, jetzt auch endlich den Gartenschlauch zu holen und zu löschen. Das tat sie dann auch. Allerdings jammerte und keuchte sie und begann zu hyperventilieren. Ich sprach ihr gut zu, weil ich glaubte, sie würde jetzt auch noch kollabieren. Wir drei bekamen dann den Brand in den Griff. Ihre Versicherung hätte den Schaden nie bezahlt, weil sie leichtsinnig gehandelt hatte. So zahlte sie selbst unsere neue Hecke und ließ einen Gärtner kommen, der alles wieder herstellte. Klara war das über allen Maßen peinlich und ich beschwichtigte das. Denn wir alle machen hin und wieder unsinniges Zeug.“
„Das heißt, Klara ist eigentlich verantwortlich für das Feuer?“, fragt er verwirrt und fügt zerknirscht hinzu: „Das ist mir jetzt peinlich. Da habe ich etwas losgetreten…“ Er macht eine abwehrende Handbewegung.
Die Frau lacht nur amüsiert: „Dann bin ich also in der Nachbarschaft der heimliche Feuerteufel und Klara ist die Heldin der Stunde!“
„Irgendwie schon…“, flüstert er, „ich möchte nur nicht, dass ihr euch jetzt streitet und es sich hochschaukelt.“
„Nein, sicher nicht“, zwinkert sie ihm zu, „ich kann mit dem Klatsch und Tratsch sehr gut leben. Jeder darf über mich denken, was er will. Das ist jedermanns gutes Recht. Mir genügt es, dass ich die Wahrheit kenne.“
„Die Wahrheit, dass Klara eine Lügnerin ist, die sich selbst zur Heldin macht?“, fragt er erstaunt.
„Nein. Ich kann mit der Wahrheit leben, dass Menschen nun einmal aus Angst dumme Sachen tun und sagen. Ich habe tiefes Mitgefühl für Klara. Denn ihre Angst vor Beschuldigung und Wertverlust was so groß, dass sie das alles auf mich projiziert hat. Sie ist keine Heldin, auch wenn das alle glauben. Sie selbst weiß aber, dass sie lügt und mit diesem Gefühl lebt sie weiter“, antwortet die Frau. Sie nickt dem erstaunten Nachbarn zu und geht fröhliches ihres Weges.
Wer das begreift, versteht jeden Krieg auf der Welt…

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