Achtung, hier kommt ein Spoiler! Kennst du die Serie „Gilmore Girls“? Es passiert am Ende der letzten Folge etwas sehr Unbefriedigendes. Rory, eine der Hauptdarstellerinnen, sagt den Satz: „Ich bin schwanger.“ Punkt. Ende. Aus. Das war´s. Der Zuschauer erfährt weder wer der Vater ist, noch wie sie mit der neuen Herausforderung umgeht. Das ist tatsächlich das Ende der gesamten Serie. Vielleicht bist du da wie ich und wie eben auch die meisten anderen Menschen: Es beschäftigt sie. Es ist lediglich eine Story, doch das Bild ist nicht vollständig. Lose Enden hängen wie Fäden eines aufgeschnittenen Wollknäuels in der Gegend rum und sind irgendwie unbrauchbar. Wir reden hier lediglich über eine Serie. Und dasselbe gilt auch für Bücher, deren Ende entweder undurchsichtig oder völlig offen erscheint. Das ist für den Leser kein Spaß. Weißt du, warum das so ist? Einfach, weil unser Gehirn Vollständigkeit liebt und alles dafür tut, dass es einen Gesamteindruck bekommt. Ein fehlendes Teil in einem 1000er Puzzle geht einfach nicht. Das hat übrigens auch nichts mit der Anzahl der Teile zu tun. Auch bei 100 oder 10 Teilen würde dir etwas fehlen. Stimmt`s?
Jetzt kommen wir zu deinem Leben. Zu deinen Beziehungen, Freundschaften und Lebenssituationen. Da geht es um deine Realität. Deine ganz eigene Wahrheit. Wenn dich schon das offene Ende einer fiktiven Liebesgeschichte in einem Blockbuster fertig macht, was glaubst du, tut eine angeschlagene Beziehung in deinem Leben mit deinen Gedanken und Emotionen? Du wirst grübeln und darüber nachdenken, warum es zum Bruch kam oder wieso der andere immer wieder diese unschönen Dinge tut oder sagt. Da kannst du dich über Monate und Jahre im Kreis drehen. Immer in der Hoffnung, der andere wird es doch noch verstehen. Oder dein Exfreund wird dir die Erklärung oder Entschuldigung liefern, die dich verstehen lassen wird. Damit du endlich einen Abschluss hast. Damit deine verkorkste Beziehung ihr Happyend bekommt oder deine vergangene zu einem kompletten Bild wird ohne angefangene Sätze, ohne Teile, die da einfach fehlen. Ganz oft versuchen Menschen in einer neuen Beziehung, das Kranke aus der davor mit einem neuen Menschen zu heilen. Dabei vergessen sie, dass die Krankheit nicht nur beim Ex geblieben ist, sondern weiterhin ein Teil ihrer Selbst ist. Die Wunde zieht einen ähnlich energetischen Menschen an. Und so wird verzweifelt und hastig versucht, doch noch ein Happyend zu bekommen. Das aber wird nicht funktionieren. Auch wenn unser Nervensystem genau das besonders brauchen würde. Wir selbst müssen beginnen, alles in uns zu integrieren. Uns selbst den Abschluss oder die unbeendeten Sätze zu geben, die wir benötigen, um zu heilen. Wir selbst müssen unsere tausend Fragen beantworten, um heilsame Stille zu erfahren. Dazu brauchen wir keine zweite Person. Das vermeintlich verloren gegangene Puzzleteil liegt tief in dir. Du gibst dir selbst Frieden und erkennst, dass du niemals der Retter einer anderen Person sein kannst. Du selbst wirst deine Beziehungen neugestalten wollen. Du erkennst, wie richtig der wertvolle Spruch des Dichters und Philosophen Khalil Gibran ist, der da heißt:
„Zwischen dem, was gesagt, aber nicht gemeint wird und dem, was gemeint, aber nicht gesagt wird, geht die größte Liebe verloren.“
Wer das begreift wird erst einmal sehr traurig. Doch wenn das erkannt und gefühlt wird, ist der Weg für neue und vor allem ganz andere Begegnungen offen.
Selbst dann, wenn es sich um eine so exklusive Beziehung wie die von Eltern und Kind handelt. Das sind Rollen, die es nur einmal gibt. Du hast eben nur eine einzige leibliche Mutter, einen einzigen leiblichen Vater. Aber auch diese Beziehungen kannst du in dir heilen. Selbst wenn beide nicht mehr leben und du jetzt gar keine Chance hast, noch Tiefe mit ihnen zu leben. Ja, es tut weh, wenn du erkennst, dass deine Mutter aus ihrem eigenen Trauma heraus keine emphatische Bindung zu dir herstellen konnte. Versuche auch so etwas nicht schön zu reden, zu verdrängen oder dergleichen. So kann das nicht heilen. Heilen muss es in dir, wenn du nicht krank werden willst – physisch und psychisch.
Du selbst hast die Macht über dein Bühnenstück. Du vervollständigst alle Puzzles in dir und dieses Mal ohne in die äußere Suche zu gehen. Vielleicht ist das hier ein gutes Beispiel für deine Selbstermächtigung: Als ich damals noch in einer KiTa gearbeitet habe, ging so manches Puzzleteil im Tohuwabohu verloren. Und irgendwann haben wir mit den Kindern begonnen, fehlende Teile aus Pappe selbst auszuschneiden und zu bemalen. Klar, ein neu verpacktes, unbenutztes Puzzle sieht sicher hübscher aus. Doch ein selbstständig repariertes macht irgendwie glücklich und beweist, was alles in einem steckt. Und sind wir mal ehrlich: Wer ein Puzzle wirklich benutzt – und dazu ist es schließlich da – wird es eben auch abnutzen. Hier müssen wir die Metapher verlassen, denn natürlich gibt es auch Beziehungen egal welcher Art, die von Anfang bis Ende eine ungeahnte Tiefe erreichen und die vollständig bleiben. Doch die sind so selten, dass es einer Suche nach dem heiligen Gral gleicht. Suche nicht im anderen nach Perfektion, sondern gehe mit ihm/ihr auf Augenhöhe. Bleibe da auch, wenn eine Beziehung schwer erscheint, mit Rissen versehen ist oder gar endet. Auch wenn du noch so viele Fragen hast, du wirst in den seltensten Fällen eine befriedigende Antwort bekommen. Das liegt einfach an deiner individuellen Wahrnehmung, die kein anderer Mensch mit dir teilt. Wende stattdessen den Blick nach innen und erzähle dir deine Geschichte selbst zu ende. In dir ist dein unantastbarer Wert, deine Liebe und dein Geistesfrieden. Dementsprechend wird deine Story jetzt zu einer freudvollen. So lernst du loszulassen und eine andere Energie zu erzeugen. Eine hochschwingende, die ebensolche Weggefährten anzieht oder die Menschen in deiner Umgebung inspiriert, es dir gleichzutun. Egal was dann auch passiert, du wirst keine Fragen mehr stellen, die du nicht selbst beantworten kannst…
